VANITAS, 10.07.2002
Link: www.vanitas.at
Die Österreicher VANITAS haben mit ihrem aktuellen Album etwas geschafft was ich noch vor einigen Wochen für unerreichbar hielt: Die fünf Burschen um Maria Dorn (Sopran & Flöte) kratzten sogar an dem Sockel von VIRGIN BLACK`S ´Sombre Romantic´ - nicht nur meiner Meinung nach dem "Heilige Gral" des Gothic Metal. Also war es höchste Zeit diese außergewöhnliche Band mittels eines Interviews vorzustellen! Gitarrist Andreas Schärfinger und Maria Dorn standen Rede & Antwort.
Schweres Metall (SM): Euer aktuelles Album ´Der Schatten einer Existenz´ welches ich
leider erst vor einigen Wochen zu Gehör bekam, ist von den Texten bis hin zu der überragenden Musik zweifellos nahezu perfekt ausgefallen!
Erzählt doch bitte wie VANITAS entstanden sind.
Andreas: Erst mal Danke für das Lob, das hört man natürlich gerne. Gegründet
haben wir uns im Sommer 1996. Mario, der bis vor kurzem bei uns Schlagzeuger war, hat mich damals gefragt, ob ich mit ihm und ein paar anderen
eine Band gründen wollte. Wir kannten uns zuvor von verschiedenen Projekten. Zu Beginn war unser Stil noch sehr von den typischen Gothic-
Metal-Acts bestimmt, erst allmählich bildeten wir unseren eigenen Stil, wie wir ihn auch heute noch spielen. Als wir 1999 eine CD in
Eigenregie aufnahmen ("vereinsamt"), ging dann alles recht schnell. Claus von CCP
Records kontaktierte mich und wir bekamen den Deal.
SM: Kommen Eure Inspirationsquellen zu den sehr melancholischen teils
depressiven Texten hauptsächlich aus der Literatur - wie bei "Schliesze mir die Augen" v. Theodor Storm - oder eher aus dem privaten Bereich?
Andreas: Teils, teils. Bei "Schliesze mir die Augen" hab ich die Strophen rund um den Theodor Storm Refrain schon lange geschrieben gehabt,
ehe ich auf dieses Gedicht stieß. Aber da es genau das ausdrückte, wonach ich gesucht habe, haben wir es verwendet. Ansonsten lasse
ich mich von allen möglichen Dingen inspirieren, ich gehe mit offenen Augen durch die Welt,
und so fällt es mir meist nicht schwer Texte zu schreiben. Immer wieder tendieren diese jedoch (teils beabsichtigt,
teils von selbst) zu barockem Gedankengut. Ich arbeite gern mit Gegensätzen und Metaphern, sowie verfremdeten und abgeänderten Zitaten,
um die Texte nicht zu persönlich aussehen zu lassen. Wer mich gut kennt, weiß aber sehr wohl, was ich mit meinen
Lyrics ausdrücken
möchte.
SM: Gibt es bei Euch einen Hauptkomponisten, oder besser gefragt
wie muss man sich das Komponieren & Texten der Songs bei Euch vorstellen?
Andreas: Bei den bisherigen CD's stammen die meisten Kompositionen von mir.
Die Texte schreibe ausschließlich ich, was mich aber überhaupt nicht stört, weil ich mich dadurch sehr gut in sie hineinversetzen kann.
Bei "Fremdtexten" würde mir das eher schwer fallen. Musikalisch wäre es mir aber manchmal ehrlich gesagt schon sehr recht, wenn auch
meine Mitstreiter ein wenig mehr Ideen bringen würden. Bei den neuen Stücken, an
denen wir im Moment arbeiten, klappt das teilweise sehr gut. Aber irgendwie schaffen wir es sehr selten gemeinsam produktiv
zu sein. Da wir alle sehr gute Freunde sind und den Großteil unserer Freizeit miteinander verbringen, arten auch die Bandproben oft in
"gemütliches Geplauder" aus. Meist ist es also so, dass die Stücke komplett fertig sind, ehe wir sie gemeinsam proben und erst dann
ändern wir teilweise etwas daran. Mal sehen, ob wir den momentanen Weg des "gemeinsamen" Ausarbeitens ein wenig halten können.
SM: Die Vermutung liegt nahe dass ihr geschichtlich evtl. an der
Mittelalter-Epoche interessiert seid, trifft dies zu?
Andreas: Eigentlich eher nicht. Die
Sache mit dem Naheverhältnis zur barocken Literatur und auch teilweise zur Musik hat sich eher automatisch
ergeben. Den Begriff "Vanitas" hab ich zum ersten Mal vor vielen Jahren in der Schule gehört, im Zusammenhang mit Barockliteratur.
Als wir dann einen Bandnamen suchten fiel mir der Name wieder ein, und da meine Texte sehr ähnlich zu den Gedanken dieser Epoche sind,
passt halt alles sehr gut zusammen.
SM: Zählt ihr Euch selbst zum Genre des Ghotic-Metal bzw. was haltet ihr
von einem solchen "Schubladendenken"?
Andreas: Man muss das immer von zwei Seiten sehen, natürlich fühlt sich keine
Band sonderlich wohl dabei, wenn sie auf eine gewisse Art eingeschränkt wird, vor allem wenn
immer wieder die selben Bands als Vergleich herangezogen werden. Für uns persönlich ist unsere Musik nicht DER
typische Gothic-Metal. Wir verwenden zwar alle genretypischen Stilelemente, aber obwohl etwa eine Sopranistin mitwirkt, verzichten wir vollständig
auf dieses "Gut-Böse"-Wechselspiel, wie es etwa Theatre of Tragedy machten. Von daher ist unsere Musik - finde ich - um einiges variabler
und vielschichtiger. Ich merk es auch immer wieder bei den Konzerten, dass bei uns nicht (nur) Gothic-Fans mitgehen, sondern vor allem
jene, die eher in die Metalrichtung tendieren. Die zweite Seite des Schubladendenkens ist aber durchaus positiv.
Man muss den Leuten ja irgendwie sagen, welchen Stil diese oder jene Band macht. Den gesamten Markt kann man ja so und so nicht mehr
überblicken, da sind Orientierungshilfen doch recht hilfreich.
SM: Bisher habt ihr durch die Bank Höchstnoten für die aktuelle Scheibe
eingeheimst. War dies eine Überraschung, oder habt ihr insgeheim damit gerechnet?
Andreas: Rechnen kann man mit so etwas nicht, ich hab's aber schon gehofft. Wir haben ja auch für unser Debütalbum "Das Leben ein
Traum" durchwegs positive Kritiken bekommen. Beim aktuellen Output ist es aber teilweise
schon echt überraschend hoch ausgefallen, etwa 15/15 Punkten im Legacy, das baut schon sehr auf. Auch bei vielen Internetmags haben wir
Topreviews bekommen. Wie gesagt, schon irgendwie überraschend, aber eine wirklich angenehme Bestätigung unserer
"Arbeit".
SM: Habt ihr schon neue Songs geschrieben bzw. wann kann man mit Eurem
nächsten Album rechnen?
Andreas: Wir haben einige Stücke angefangen, eines davon ist aber erst halbwegs
fertig. Was man sich davon erwarten kann? Schwierig. Irgendwie sind wir uns zur Zeit selbst nicht
100% sicher in welche Richtung wir gehen (wollen). Die bisher begonnen Stücke klingen teilweise doch
ein wenig anders, als unser bisheriges Material, teilweise moderner, finde ich. Die Sache ist die: Wir haben zwei (bzw. mit der Eigenproduktion
drei) Alben veröffentlicht, die sich stilistisch sehr ähnlich sind. Jetzt ist irgendwie der Zeitpunkt gekommen, mal ein
bisschen etwas
auszuprobieren. Wir werden uns auf keinen Fall total ändern, das können und vor allem wollen wir gar nicht, aber ein paar Einflüsse,
die wir schon immer einbauen wollten, werden wir jetzt sicher mal ausprobieren. Nach zwei Veröffentlichungen, die auf gutem, ähnlichen
Niveau sind, kann man sagen, die Band hat ihren Stil gefunden. Ab der dritten änderst sich das Wording sehr schnell in Richtung "die
kopieren sich mittlerweile selbst". Mal abwarten, was die Zukunft so bringt. Wir wollen aber
auf jeden Fall auch wieder mit den klassischen Streichern zusammenarbeiten, soviel steht
fest...
SM: Sind für die nahe Zukunft Auftritte in Planung (hoffentlich auch in
Deutschland)?
Andreas: Wir haben eigentlich ständig Auftritte, aber eigentlich alle in Österreich.
Im Juli spielen wir beispielsweise in Innsbruck beim Warm Up zum Skeleton Bash (mit Pungent
Stench, Abigor, Darkwell, Graveworm... ). Im August spielen wir in Wien bei einem Festival, wo u.a. auch
Nightwish, Tiamat, Sodom, etc. spielen werden. In Deutschland ist noch nichts fix, aber wir arbeiten daran, spätestens
nach der nächsten CD wollen wir auf Tour, kann sein was will...
SM: Von welchen Musikern bzw. Bands seht ihr Euch beeinflusst bzw.
beeindruckt?
Andreas: Ich hab die typische Metallerentwicklung durchgemacht, bin also mit
Maiden, Metallica, später Slayer, Deicide, Morbid Angel, etc. groß geworden. "Tales from the thousand
lakes" von Amorphis hat mich dann aber so richtig beeindruckt und so würde ich dieses Album als wichtigste
Inspiration ansehen. Heute gibt es immer wieder Bands, die mir sehr zusagen, das geht auch über den Metalhorizont hinaus. "Muse" etwa,
finde ich sehr gut. Aber als Einfluss oder gar Vorbild sehe ich keine davon...
SM: Maria, hast du eine klassische Gesangsausbildung genossen?
Arbeitest du hauptberuflich als Sopranistin/Sängerin?
Maria: Ich habe eben mein
Flötenstudium abgeschlossen, bin also jetzt irgendwie Profimusikerin. Ich hoffe, dass ich einige Auftritte im klassischen
Bereich bekomme, außerdem arbeite ich an einer Musikschule und gebe dort eben Flötenunterricht. Die Gesangsausbildung war eigentlich
mein Zweitstudium.
SM: Was haltet ihr von Bands wie IN EXTREMO oder SUBWAY TO SALLY,
welche auch eine Symbiose - allerdings eher vom klassischen Metal mit mittelalterlicher Musik eingegangen sind?
Andreas: Live finde ich In Extremo immer wieder toll, die schaffen es einfach eine tolle Stimmung
zu erzeugen. Von den CD's kenne ich allerdings nur "Weckt die Toten" besser, die anderen hab ich nur so nebenbei
gehört. Bei S.t.S. ist das ähnlich, aber ehrlich gesagt, kann ich mit denen nicht soviel
anfangen.
Andreas: Momentan bekomme ich relativ viele und sehr hoffnungsvolle Metal-CD´s aus Österreich zugeschickt. Es scheint sich also momentan etwas zu
tun. Wie schätzt ihr die dortige Metal-Szene im allgemeinen ein, bzw. besteht ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Bands?
Andreas: Schwierige Frage, es besteht ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen gewissen Bands. Vor allem im Black Metal Bereich,
gibt's aber meiner Meinung nach ein paar Leute, die sich ein bißchen zu wichtig nehmen und einen verbalen Bandkrieg ausführen, der einfach
nur lächerlich ist. In Österreich gibt es teilweise fast schon zuviele Bands, jedes Wochenende spielen irgendwo Undergroundbands, teilweise
nicht wirklich hervorragende, was der Szene eher schlechtes einbringt. Aber alles in allem ist es schon so, dass der österreichische Metal
boomt.
SM: Letzte Worte von Dir an unsere Leser bzw. die deutschen Fans?
Andreas:Ich hoffe, dass wir es bald endlich mal schaffen bei euch zu spielen, und da würde es mich natürlich sehr freuen, euch zahlreich anzutreffen
und gemeinsam zu feiern. News und Infos über uns findet ihr auch auf unserer Homepage
www.vanitas.at
Macht's gut...
(Pit Schneider, Juli 2002)