Interpret, Titel: AYREON - The Human Equation
Medium: Album/ CD
Stil: Progressive Metal
Erschienen: 24.05.2004
Label: Inside Out (Vertrieb: SPV)
Link: www.ayreon.com    
Note:
10 von 10 Punkten

Was war im Vorfeld nicht schon alles Gutes zu hören: Mikael Akerfeldt, Devon Graves, James LaBrie und Eric Clayton (u.a.) als Sänger auf dem neuen Ayreon-Album? Das hörte sich schon vorab sehr viel versprechend an, aber das Resultat The Human Equation übertrifft die Erwartungen um Längen, und dies spielend!
Insgesamt 20 Songs, verteilt auf zwei CDs versetzten den Hörer in einen Zustand der Verzückung: die Ayreon-typischen Soundwände (harte E-Gitarren gepaart mit virtuos gespielten Synths, dazu 70er-mäßige Orgeln) kommen diesmal noch komplexer daher, die stilistische Ausrichtung ist noch breiter geworden, dazu im Folgenden mehr!
Den Auftakt macht „Day One: Vigil“, in dem überraschenderweise Arjen Lucassen selbst (und diesmal ohne Effekte), im Duett mit der bislang hier eher unbekannten Mexikanerin Marcela Bovio (Marcela ist einem Aufruf auf der Ayreon-Page gefolgt und wurde von Arjen direkt ins Studio bestellt) singt. Der zweite Song („Day Two: Isolation“) gibt nach dem kurzen Opener sofort einen perfekten Ausblick über die stilistische Ausrichtung der beiden Rundlinge, beginnt zunächst ruhig, eingeleitet durch LaBrie und Akerfeldt, und legt dann härtetechnisch gleich mal ein paar Schippen drauf. Ziemlich überraschend, aber saugeil, zumal sich die Stimmungen innerhalb des Songs mehrfach wieder ändern und auch die Instrumentierung ordentlich überrascht: kommen doch hier tatsächlich Flöten zum Einsatz…und dann diese analogen Synths: mjam! Das von Joost van den Broek inszenierte Synth-Solo gehört dabei zur Spitzenklasse, überrascht aber irgendwie genauso wenig wie Irene Jansens kraftvolle Stimme (beide haben ja bekanntlich auch bei Star One mitgewirkt und bereits dort ihr Können unter Beweis gestellt).
Bei „Day Three: Pain“ kommen dann alle Dead-Soul-Tribe-Jünger auf ihre Kosten (zu denen sich der Rezensent auch zählt :-), denn hier tritt Mr. Graves alias „Agony“ erstmals in Erscheinung! Besonders gelungen sind auch hier wieder die starken Gegensätze zwischen ruhigen Passagen (mit Akustikgitarre und Flöten) und härteren Abschnitten (hier stimmlich untermalt von Kreischmeister Devin Townsend).
„Day Four: Mystery“ ist eine, tolle durch Synths und Hammond dominierte, Nummer, bei der man die Qualitäten von elfonía-Elbe Marcela Bovio besonders gut belauschen kann.
„Day Five: Voices“ beginnt akustisch, mit „echten“ Streichern und Panflöte (!!) unterlegt, wandelt sich aber nach knapp drei Minuten und legt dann auch härtetechnisch zu, besonders geil klingt hier Eric Claytons „Bowie-like-Stimme“ und der über alles erhabene Mikael Akerfeldt!
Mein persönlicher Favorit ist „Day Six: Childhood“, ein ziemlich bitterer Song (textlich gesehen), eingesungen von LaBrie, Graves und Akerfeldt! Musikalisch eher schlicht gehalten, aber gerade durch die Performances von Graves und Akerfeldt mit Gänsehautgarantie!
Das kurze „Day Seven: Hope“ ist von Lucassen und LaBrie eingesungen und mit einem schönen, luftigen Orgel-Hook versehen, so etwas wie eine Verschnaufpause.
„Day Eight: School“ ist erneut mit ruhigen und härteren Passagen ausgestattet, wobei diesmal die Untermalung mit Streichern besonders angenehm im Ohr nachklingt.
Das nachfolgende Instrumental „Day Nine: Playground“ erinnert stark an Edvard Grieg, ordentlich!
„Day Ten: Memories“, einmal mehr durch Synths und Akustikgitarre dominiert, glänzt durch seinen doppelstimmigen Gesang, bei dem immer zwei der Protagonisten gleichzeitig aufsingen; ausgestattet ist der Song ebenfalls mit schönen Gitarrenlicks.
Die erste CD beschließt der schon vorab als Single ausgekoppelte „Day Eleven: Love“!
Ein fürs Album typischer Song, mit ruhigen Gesangspassagen und hartem Chorus ist „Day Eleven“ besonders eingängig und bleibt lange im Ohr. Die zweite CD wird durch „Day Twelve: Trauma“ eröffnet, ein Song mit neun Minuten Laufzeit, der natürlich auch in dieser Zeit eine Menge zu bieten hat: er ist superb mit Synths unterlegt, die kaum hörbar das Geschehen bestimmen, dazu gefällt besonders Eric Clayton im Mittelteil mit unglaublich debilen Vocals, die zur relativ „kaputten“ Gesamtstimmung des Songs sehr gut passen, zudem hört man Mikael Akerfeldt erstmals seine, auch von Opeth bekannten, Grunts loswerden. Weird!
„Day Thirteen: Sign“ wird durch Flöten und die Engelsstimme von Mostly Autumns Heather Findlay eröffnet und durch Marcela Bovio und James LaBrie ruhig zu Ende gebracht.
„Day Fourteen: Pride“ geht wieder etwas flotter zur Sache, mit ordentlich knallenden Gitarren und einem gut aufgelegten Magnus Ekwall (von den Stoner Rockern The Quill). Cool auch die Ian-Anderson-mäßigen Querflöten-Parts und das goile Gitarrensolo von Arjen Lucassen. Mystisch angehaucht kommt „Day Fifteen: Betrayal“ daher, dazu passend eingesungen von Devon Graves, Eric Clayton und Mikael Akerfeldt. IQs Martin Orford steuert hier ein astreines Synth-Solo bei, welches den Song irgendwie aus seiner Lethargie reißt. „Day Sixteen: Loser“ ist sicherlich der mit Abstand ungewöhnlichste Song, den Ayreon je aufgenommen haben: ein Didgeridoo zu Beginn gepaart mit irischen (Gitarren-)Einflüssen und den dann heftig einsetzenden E-Gitarren lässt einem erstmal die Kinnlade runterklappen.
Den Gesang steuert Mike Baker (Shadow Gallery) bei, der dabei so klingt als singe ein junger Alice Cooper. Ken Hensley (ja, der mal bei Uriah Heep war…) steuert ein für ihn typisches, schnoddriges Hammond-Solo bei. Zum Ende des Songs kreischt dann noch mal Devin Townsend mit seinem außergewöhnlichen Organ aus den Boxen. Strange Song!!
„Day Seventeen: Accident?“ gehört auch wieder zu den musikalisch entspannteren Songs, wobei es auch hier natürlich vereinzeltet härtere Passagen zu belauschen gibt. Bei diesem Song hat Rick Wakemans Sohn Oliver ein sehr hörenswertes Synth-Solo beigetragen.
Der nächste Song „Day Eighteen: Realization“ beginnt, nach kurzem Flöten-Intro, härter mit Hammond und dicken Gitarren, begleitet von Querflöte, (kling irgendwie nach Jethro Tull, was ja eigentlich nur an der Querflöte liegen kann, oder?).
Aber hier kommen auch noch zusätzlich Cello und Violine zum Einsatz, was den Song musikalisch sehr komplex erscheinen lässt.
Die beiden abschließenden Tracks „Day Nineteen: Disclosure“ und „Day Twenty: Confrontation“ gehören noch mal zu den absoluten Highlights der beiden Scheibletten: Tag 19 gerade wegen den Streichern und einer alles überragenden Marcela Bovio, der abschließende Song aufgrund der bedrückenden Atmosphäre und der genialen Gesangsmelodien, die sich über die gesamte, siebenminütige, Spielzeit erstrecken.
Arjen Lucassen hat es, einmal mehr, geschafft zwanzig unglaubliche Songs zu schreiben, die ihresgleichen suchen und die in meinen Ohren auch zu den besten gehören, die man von Ayreon je zu hören bekommen hat.
Zudem verdient es Anerkennung, dass es ihm mal wieder gelungen ist Musiker (dies ist vor allem auf die Sänger bezogen) um sich zu scharen, die wissen wie man Platten veredelt.
Dass Arjen dabei fast ausschließlich auf Sänger zurückgreift, die im Underground verwurzelt sind und die nur einer überschaubaren Fangruppe bekannt sein dürften spricht eindeutig für den Geschmack und die Klasse des Niederländers!
Wie man sicherlich herauslesen konnte, ist The Human Equation für mich bisher DAS Album von Ayreon und dementsprechend kann es hier nur fette zehn Punkte von meiner Seite geben!!!

(Maik Eifländer, Juni 2004)

Tracklist:
The Human Equation - CD 1
1- Day One: Vigil
2- Day Two: Isolation
3- Day Three: Pain
4- Day Four: Mystery
5- Day Five: Voices
6- Day Six: Childhood
7- Day Seven: Hope
8- Day Eight: School
9- Day Nine: Playground
10- Day Ten: Memories
11- Day Eleven: Love
The Human Equation - CD 2
12- Day Twelve: Trauma
13- Day Thirteen: Sign
14- Day Fourteen: Pride
15- Day Fifteen: Betrayal
16- Day Sixteen: Loser
17- Day Seventeen: Accident?
18- Day Eighteen: Realization
19- Day Nineteen: Disclosure
20- Day Twenty: Confrontation