RAGE, TYR, COMMUNIC & SCAR OF THE SUN
24.03.2012
Speyer, "Halle 101"
Bandlinks:
www.rage-on.de
www.tyr.fo/
www.communic.tk/
http://scarofthesun.com
Mein lieber Herr Gesangsverein, von welchem D-Zug wurde ich denn da gerade überfahren?? Das waren meine ersten Gedanken in der "Halle 101" in Speyer nach diesem furiosen Deutschland Tour-Auftakt der Heavy Metal Institution RAGE um Bandleader "Peavy" Wagner, Gitarrengott Victor Smolski und dem grandiosen André Hilgers an den Drums, die mit Spielfreude pur sowie einer unglaublichen Virtuosität aufwarteten und eine Dynamik und Power an den Tag legten dass die volle Hütte zum beben und den nahegelegenen Dom ins wanken brachte. Seit nunmehr 28 Jahren ist diese Band mit all ihren unterschiedlichen Besetzungen ein Garant für kompromisslosen Power Metal und nicht mehr aus der europäischen Metalszene wegzudenken, wobei der Rezensent anmerken möchte dass das aktuelle Line-up mit zum Besten zählt was je unter diesem Namen gelaufen ist. 21 Alben hat die Band mittlerweile veröffentlicht. '21' ist auch der Titel des aktuellen Longplayers der es zum Release auf einen beachtlichen Rang 27 in den deutschen Verkaufscharts brachte. Chapeau! Circa 800 Metalheads wollten sich den "Metal Firestorm 2012" in Speyer nicht entgehen lassen und bangten was das Zeug hielt, konnten sie doch all ihre Energie für den Hauptact aufsparen, denn die Supportbands überzeugten bis auf eine Ausnahme nicht voll und ganz.
Als gegen 19.15 Uhr zum ersten Mal das Licht in der Halle ausgeht und die griechische Formation SCAR OF THE SUN
den Metalabend eröffnen, ist die Halle für diese Uhrzeit schon recht gut gefüllt.
Im Ansatz ganz nett und mit gutem Frontsound (der sich im Laufe des Abends bei
den restlichen Supports leider verschlechterte) präsentierte das Quartett Songs
aus ihrem aktuellen Debütalbum 'A Series Of Unfortunate Concurrencies' das in
Griechenland für Begeisterungsstürme sorgte, die Mehrheit der Zuhörer in der Halle
aber kalt liess. Das lag mitunter an der stocksteifen Präsentation, die Musikalität
möchte ich auch keinem absprechen. Die Nervosität und die Unsicherheit war deutlich
spürbar und das kaum vorhandene stage acting des Frontmanns und somit auch das
wichtige interagieren mit dem Publikum trugen nicht gerade zur Stimmungsverbesserung
bei.
In puncto Interaktion machten das COMMUNIC deutlich besser! Zwar gabs auch hier
reichlich Luft nach oben, doch die Norweger verstanden es jedenfalls mit dem Publikum
zu kommunizieren und erarbeiteten sich mit ihrem Mix aus Doom, Progressive, Experimental
und einem Hang zum Metal der 80er/90er Sympathien im vorderen Zuhörerbereich,
schienen aber auch einige Zuhörer mit teilweise verzwickten Songstrukturen zu
überfordern. Solide jedenfalls präsentierte das Trio einen Querschnitt aus ihrer
bisherigen Schaffensphase. Mir persönlich fehlte da die zweite Gitarre um mehr Druck
zu erzeugen. Was aber auch am miserablen Sound gelegen haben könnte, denn manch
filigran ausgearbeitetes Stück des erstklassigen Gitarristen/Vocalisten Oddleif
Stensland ging im Matsch unter und die Ansagen waren schlichtweg nicht zu verstehen
weil der Soundmischer zwischenzeitlich das Effektgerät für sich entdeckte. Völlig
unverständlich warum man so dilettantisch am Mischpult zu werke ging, was sich
leider auch beim dritten Support Act fortsetzte...
...TYR, ich muss zugeben, ich hatte die Band bisher noch nicht auf dem Schirm
und wurde trotz des schlechten Mixes umso positiver überrascht. Definitiv
der beste Support des Abends! Fernab des üblichen Gegrowls im Viking Metal setzt
man bei TYR auf durchweg klaren Gesang mit mehrstimmigem Chorpassagen, eingängigen
Melodien, fast alle basierend auf Legenden aus der nordischen Mythologie, sowie Balladen und mit Hooklines
ausgestattet ("Hold The Heathen Hammer High", "Shadow Of The Swastika") die direkt
zum mitsingen animieren, sofern man der Texte mächtig ist, die zuweilen auch mal
in der Landessprache der Faröer Inseln präsentiert werden. Performancetechnisch konnte
man nicht klagen, denn bewegungsmässig war einiges auf und auch vor der Bühne
los. Den Gitarren fehlten im Gesamtmix mehr Eier. Trotzdem sorgte der insgesamt
professionelle Set bei vielen Zuschauern für ein breites Grinsen und einen erhöhten
Bier und db-Pegel im Abgang der sich gegen 22.15 Uhr aber noch erheblich steigern
sollte...
...denn als nach dem obligatorischen "Cowboys From Hell" von Pantera das Intro
"House Wins" durch die PA tönte und kurz darauf RAGE die Bühne enterten hielt
es keinen mehr auf den nicht vorhandenen Sitzen und ein wahrer Sturm der Begeisterung
fegte durch die Halle 101.
RAGE sind wieder da! Und wie! Mit "Twenty One" und "Forever Dead" wurden auch
gleich zwei Songs der neuen Scheibe (für viele die Beste seit "Black In Mind") mit
glasklarem, sehr lautem, aber dennoch differenziertem Sound zum besten gegeben
und frenetisch beklatscht und bejubelt. Die sichtlich gut gelaunten Peavy, Victor
und der mit einem Dauergrinsen ausgestattete André rissen die Fans mit und zündeten
mit ihrer Show ein Metal Feuerwerk der Extraklasse.
Vollprofis eben und dazu noch bodenständig geblieben sympathisch, kumpelhaft und
nie aufgesetzt wirkend fräste sich das Trio arschtight durch die Highlights der
Bandgeschichte. Wie ein Derwisch fegte Ausnahmegitarrist Victor Smolski über die
Saiten das sich manch einer eine Zeitlupenfunktion wünschte, "unfuckingfassbar"
André groovte an den Drums mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks und Peavy
rundete mit seinem Bassspiel das Ganze filigran, souverän und routiniert ab. Da
stimmt die Chemie! Gesangliche Unterstützung gabs in Form des sehr textsicheren
Publikums dass jede Zeile und jeden Refrain begeistert mitsang. Die Priorität
bei der Songauswahl lag natürlich bei der Präsentation des neuen Albums und so
kamen die Fans zu den bereits weiter oben im Text erwähnten Songs noch zusätzlich
in den Genuss von "Feel My Pain", "Serial Killer" (dem wohl härtesten Stück der
neuen Scheibe, von Peavy scherzhaft als Ballade angekündigt) und der Halbballade
"Eternally", bei der man sich Unterstützung in Form des Communic Frontmanns Oddleif
Stensland auf die Bühne holte. Sehr gelungen. Aber auch bei den Klassikern "The
Crawling Chaos", "Don´t You Fear The Winter" ,"Paint The Devil On The Wall", "Refuge",
"Empty Hollow" und "Great Old Ones" sowie "Soundchaser" wude kräftig gebangt und
die Fäuste generationenübergreifend in die Höhe gestreckt.
Als dann kurz nach 24 Uhr das grelle Neonlicht die Fans jäh aus dem "Heavy Metal Heaven"
riss, blickte man in rundum zufriedene Gesichter. André und Victor liessen dann
auch nicht lange bitten und erschienen noch am Merchandising Stand um Autogrammwünsche
zu erfüllen, oder noch ein wenig fachzusimpeln (üben, üben, üben) bzw. Erinnerungsfotos
zu schiessen.
Abschließend betrachtet ein denkwürdiger Abend mit einer grandiosen, technisch
hochversierten Band. Mehr davon!!
Bericht: Frank Beck
Photos: Yvonne Bernhard (RAGE) &
Marco Schneider (SCARS OF THE SUN, TYR, COMMUNIC)