Progressive Rock Klassiker

Jo Simon´s 10 Alben für die Insel!

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GENESIS - The Lamb Lies Down On Broadway / Erschienen: November 1974 bei Charisma

Genesis: Natürlich hasst oder liebt man sie - ich gehöre zur zweiten Kategorie (bis auf das meiste Collinsweichgespüle!). Vielleicht klingt manche Platte von Genesis heute etwas angestaubt.
Diese Doppel-Monster CD jedoch nicht. Kunstrock im wahrsten Sinne des Wortes.
Manche Kritiker meinen sie sei etwas zu lange geraten. Ich denke nein.
Die urenglische Band Genesis goes America und wer hätte es gedacht - es klappt.
Das Ganze startet mit jenen langsam anschwellenden Klavierakkorden, die aus dem Nichts zu kommen scheinen:
"Early morning Manhattan - Ocean wind blows on the land…."
und schon ist man mittendrin, in einer surrealen Story, zu komplex, um sie hier auch nur annähernd erklären zu wollen. Konzeptalbum! Rockoper?
Auch wenn die Bedeutung der Texte mit seinen kryptischen Wortspielereien oft schwer nachzuvollziehen ist, fühlt man sich dennoch in verschiedenste Stimmungen versetzt.
Düster: "Fly on a Windshield", "The Chamber of 32 Door"s, "Anyway"
Rockig: "In the Cage", "Lilywhite Lilith"
Soulig: "Back in N.Y.C"
Traurig-hoffnungsvoll: "Hairless Heart", "Carpet Crawlers"
Honky-Tonk: "Counting out Time"
Abgefahren: "The Colony of Slippermen"
Verbunden und verflochten mit abgehobenen Instrumentalpassagen à la "The Waiting Room", strebt das Ganze dem unvermeidlichen Höhepunkt it entgegen, wo man mit der goldenen Weisheit "It's only knock'n'knowall, but I like it" entlassen wird.
Danach verließ Peter Gabriel bekanntlich Genesis, auf dem Höhepunkt der Band.
Klar, abgesehen von persönlichen Gründen war eine musikalische Steigerung wohl kaum noch möglich.

10 von 10 Punkten

KING CRIMSON - Discipline / Erschienen: November 1981 bei E.G.

Wahrscheinlich ist "In the Court of Crimson King" die Mutter aller Prog-Rock Scheiben und qualitativ sowieso die beste und innovativste Scheibe von KC.
Doch ehrlich gesagt, wenn man von Nostalgiegründen einmal absieht, hat diese Platte immerhin schon satte 33 Jahre auf dem Buckel und, meiner Meinung nach, leider auch schon etwas Patina angesetzt. Ich wiederhole: Meiner Meinung nach.
Okay, natürlich besitze ich alle KC CD's und es war nicht einfach mich für eine bestimmte zu entscheiden. Warum also ausgerechnet "Discipline"?
- Weil die Musik - immerhin auch schon 22 Jährchen alt - erstaunlicherweise frisch, modern, dynamisch daherkommt und nach wie vor äußerst aufregend klingt. (Mal sehen wie ich in 11 Jahren darüber denke!)
- Weil Fripp, Bruford, Levin, Belew meine absolute Lieblingsbesetzung von KC ist. - Weil Songs wie Elephant Talk, Frame by Frame, Matte Kudasai und Thela Hun Ginjeet mit das Beste sind was ich überhaupt je von einer "Rock-Band" gehört habe.
- Weil ich beim Zuhören im wahrsten Sinne des Wortes zwischen Kälte und Wärme hin- und hergerissen werde.
- Weil ich KC in dieser Besetzung mit eben diesen Songs live erleben durfte und sie dabei mindestens ebenso geil fand wie auf dieser Platte. Reicht das?

9 von 10 Punkten

ROBERT FRIPP - Exposure / Erschienen: April 1979 bei E.G.

Tja, Herr Fripp's erste richtige Soloplatte ist ganz ganz große aber auch keine leichtverdauliche Musik.
Mal panisch paranoid, mal zart zerbrechlich dann wieder hemmungslos agressiv - hier gibt es so ziemlich alle Stimmungen die ein (Großstadt?)Mensch nur haben kann, umgesetzt in geniale Musik mit Hilfe von diversen brillanten Musikern.
Nach einem etwas seltsamen Intro und anschließendem Telefongeklingel, knallt gleich am Anfang You burn me up I'm a cigarette los. Brachial glänzend.
Sphärische Frippertronische Instrumentalpassagen gleiten zwischen den einzelnen Songs wie zufällig dahingestreut. Plötzlich ist man am Meer - Möwen. North Star - leidenschaftliche Ballade, gesungen von Daryl Hall. Dann allercoolster Blues mit der genialen Zeile "I smile like Chicago" - 2 Minuten nur, und aus. Auf den Punkt. Noch 'ne kurze bewegende Ballade - Mary, wieder 2 Minuten, wieder aus und wieder auf den Punkt.
Und schon schreit sich Terre Roche bei Exposure im wahrsten Sinne des Wortes die Seele aus dem Leib.
Noch einmal rohe Aggressivität in NY3, fast am Rande des Wahnsinns. Als man gerade völlig entnervt die CD wechseln möchte, schallt uns plötzlich die wohl gelungenste Version von Here comes the flood, gesungen von Meister Gabriel persönlich, entgegen. Wieder Sphärenklänge, die langsam ins Nichts gleiten. Aus. Puh - geschafft! Bis zum nächsten Mal.

10 von 10 Punkten

PINK FLOYD - The Wall / Erschienen: Dezember 1979 bei Harvest

Pink Floyd sind Legende.
Pink Floyd können 50 Minuten lang Geräusche von fallenden Blättern, einem einzigen anhaltenden Akkord und grunzenden Schweinen aufnehmen und die Platte wird, vorausgesetzt es steht PF darauf, dennoch ein Hit.
Doch seit "The Final Cut" (eigentlich The Wall 2) ist Pink Floyd mehr oder weniger tot. Das Hirn (Roger Waters) verließ den Kopf und es blieb nur ein Name, eine Hülle, eine Marke. Nicht wirklich schlecht, aber erschreckend substanzlos.
Pink Floyd ist tot, doch die Legende lebt. (klingt abgeschmackt).
Wäre ich damals älter gewesen, wäre die PF-Platte für mich wahrscheinlich "DSOTM" oder "Meddle" geworden, so aber wurde es "The Wall".
Okay, heute fehlt mir vielleicht die pubertäre Identifikation und den Kinderchor fand ich damals schon Scheiße, aber das anschließende Soli von David Gilmour ist auch heute noch unschlagbar. Und nach wie vor ist Comfortably Numb eines der schönsten Songs, die überhaupt je geschrieben worden sind. Die meisten Texte - sowieso über jeden Zweifel erhaben - sind für sich genommen, schon kleine Kunstwerke. Jedoch fiel es mir auch damals bei der Grundstory schon schwer, echtes Mitleid mit dem "ach so armen Rockstarmillionär" zu haben. Waters betreibt textlichen Exhibitionismus fast bis zur Unerträglichkeit und dennoch (oder gerade deshalb) kam dabei ein ganz besonderes Stück Platte heraus.
Die Stärke von PF - musikalisch bestimmte Stimmungen aus dem tiefsten Innern hervorzurufen, wird diesmal erfolgreich in kürzere (fast schon) Pop oder auch Rocksongs gezwängt. Weniger episch, dafür mehr auf dem Boden und dennoch große Gefühle wie Unterdrückung, Angst, Paranoia, Einsamkeit, Verlust, Depression usw.
Jeder hat sie schon einmal erlebt und jetzt kriegt er sie wieder vor den Kopf geknallt.
WARUM TUT MAN SICH SO ETWAS ÜBERHAUPT AN???
Na, weil wir doch alle tief drin kleine Melancholiker sind.
(Aber "Dark Side ...", "Wish you ...", "Meddle" und "Animals" sind natürlich auch sehr, sehr schöne einzigartige Platten).

10 von 10 Punkten

STEVE HACKETT - Darktown / Erschienen: Mai 1999 bei Camino

Good Ole Steve, ehemaliger Genesisgitarrist (einer meiner persönlichen Gitarrenhelden) gehört für mich zu der seltenen Gattung Gitarristen (ähnlich eines David Gilmour, aber leider weniger erfolgreich), die nicht unbedingt durch Schnelligkeit, sondern eher durch Atmosphäre glänzen und so ganz nebenbei einen ganz eigenständigen superben Gitarrenstil entwickelt haben, der sie von Myriaden von Gitarrenhalsquälern unterscheidet.

Das 1999er Album von Hackett ist garantiert nicht sein Bestes, aber eben technisch gesehen sein "Modernstes" bis jetzt.
1. "Omega Metallicus" ist ein wildes Gitarreneinstiegsstück, bei dem schon mal alle Register gezogen werden. Willkommen im Techno-Land. Fiep. Schnartz. Kling. Bumm. Geil. 2. "Darktown" - das Titelstück mit verfremdetem Sprechgesang und sehr schönem Saxophon klingt düster, dramatisch, pathetisch. Gut eben.
3. "Man Overboard" ist dann doch wieder einer der zu den 2 - 3 unnötigen Lückenfüllern gehörenden Songs. Die einzige Schwäche auf fast all seinen Platten ist genau diese Art von Songs und seine dabei teilweise auch oft unzureichenden Sangeskünste.
4. "The Golden Age of Steam" ist einer jener wundervollen Songs, wie nur SH sie schreiben kann. Orchester, Chöre, ein trauriges Thema. Ergreifend.
5. "Days of long Ago", eine von Jim Diamond gesungene Ballade ist mir persönlich zu glatt, zu Mainstream.
6. "Dreaming with Open Eyes" - siehe Nr. 3
7. "Twice around the Sun" - da ist sie wieder, diese unwiderstehliche, einzigartige, atmosphärische E-Gitarre, die mir immer wieder Gänsehaut bereitet.
8. "Rise Again" ist gutgemachter Prog-Rock.
9. "Jane Austen's Door" - siehe Nr. 3 und Nr. 6
10. "Darktown Riot" - siehe Nr. 1
11. "In Memorian" ist In the court of Crimson King ins Jahr 1999 transportiert. Da gibt es Mellotronklänge, Chöre und einen John Wetton am Bass. Dieses Hammerstück ist wirklich "DARK". Perfekter Beerdigungssoundtrack.
Resümee: Wie so oft, 3 eher banale Songs aber ansonsten ziemlich eigenständige, sehr starke Musik.
Brutal gesagt denke ich, dass sein größter Fehler ist zu oft selbst singen zu wollen. Das zieht sich leider wie ein roter Faden durch alle seine Platten. Unschlagbar ist er immer dann, wenn es Instrumental wird, oder wenn sich gute Gastsänger die Ehre geben.
Dennoch wegen guter, gleichbleibender Qualität:

8 von 10 Punkten

ROGER WATERS - Amused To Death / Erschienen: September 1992 bei Columbia 

Es gibt Platten, die man das erste Mal hört und genau weiß: Das ist es.
Kein schwacher Song. Durchhören, genießen und wie bei einem guten Buch traurig sein, wenn es zu Ende ist. .
"The best Pink Floyd Album that Pink Floyd never made" könnte ich vermessen sagen. Eine dieser unterschätzten, von der ach so intelligenten Rockpresse total verrissenen Platte, die bei Kritikern und Käufern nur deshalb durchfiel, weil halt eben nicht Pink Floyd auf dem Cover draufstand. .
Roger Waters (sowieso nicht eben Kritikers liebstes Kind) tut sich hier mit Jeff Beck (auch dieser leidet ungerechtfertigter Weise unter diesen Kritikern - einem Seelenverwandten also) zusammen und herausgekommen ist eine meiner Lieblingsplatten. .
Warum? .
Weil es um "große" Themen geht. .
Weil die Musik teilweise magisch ist. .
Weil es einfach gut geschriebene und gut interpretierte Songs sind. .
Weil die letzten beiden Pink Floyd Platten vor allen Dingen textlich so grauenhaft banal waren. .
Weil ich mich nach mehrmaligem Hören immer noch nicht "zu Tode amüsiert habe". Weil es bis jetzt Rogers beste Soloplatte ist. .
Also einfach - falls nicht bereits geschehen - unbedingt anhören.

9 von 10 Punkten

FRANK ZAPPA - Sheik Yerbouti / Erschienen: März 1973 bei CBS

Zappa, hä - Prog-Rock??? Und dann ausgerechnet diese CD?
Ich erkläre: Nur einmal angenommen Robert Fripp (King Crimson) würde als Vater des Prog-Rock gelten, dann wäre FZ mit Sicherheit seine "Mother". "Sheik Yerbouti", werden viele Fragen? Eine seiner kommerziellsten Platten?
Ja, eben gerade deswegen. Denn der kommerziellste Zappa, war für mich persönlich auch der BESTE Zappa. Der Zappa-Purist mag müde lächeln.
Doch selbst ein kommerzieller Zappa ist noch "progressiver" als das Gros seiner Kollegen. Ehrlicherweise fiel es mir immer schwer Zugang zu bestimmten älteren Zappaplatten (speziell aus der "Mothers"-Zeit) zu finden. Zu abgedreht, manchmal etwas zu nervig, zu viel Gitarrengekniedel (wenn auch brillant).
Spätere Sachen wie "Roxy & Elsewhere", "Live in New York", "Overnite Sensation" und viele andere sind, jede für sich genommen, absolut genial aber mein Liebling ist und bleibt nun einmal die gute alte "Sheik Yerbouti".
Warum? Ganz einfach - sie rockt. Straight (Broken hearts are for assholes), cool (City of tiny lites), punkig (I'm so cute), langsam (I have been in you) - wirklich alles drin.
Adrian Belew (da ist sie wieder, die Verbindung zu King Crimson) gibt uns in Flakes den Dylan, fast besser als Bob himself.
Und dann die Texte: Wie immer genial, schweinisch, zynisch, gemein, intelligent - Zappaesk eben. Das etwas abgelutschte (haha) Bobby Brown ist vielleicht noch einer der eher schwächeren Songs.
Als Bonbon am Schluss das göttliche Yo Mama mit wirklich exzellentem Gitarrensolo. Für mich 'ne Platte für die Insel.
RIP Frank.

10 von 10 Punkten

QUEEN - A Night At The Opera / Erschienen: Dezember 1974 bei EMI

Ich oute mich jetzt und gestehe: Ich habe Queen immer geliebt und werde sie wohl auch immer lieben. Speziell diese Platte und alle, wirklich alle anderen Platten, von "Queen 1" bis "Made in Heaven".
Als pubertierender traf es mich damals wie ein Schlag.
Ich glaube es war Killer Queen von "Sheer heart attack", das mich mit diesem Virus infizierte. Es waren diese scheinbar einfachen Melodien, und ich versuchte sie mit meinen eben erworbenen Gitarrenkünsten nachzuspielen. Hoppla, da merkte ich schnell, dass das gar nicht so einfach war. Einer der musikalischen Höhepunkte von Queen ist mit Sicherheit eben diese Platte.
Ist das Prog-Rock? Ich behaupte es ist Kunstrock im wahrsten Sinne des Wortes.
Los geht's:
1. "Death on Two Legs": böse, zynisch, druckvoll, göttlich
2. "Lazing on a Sunday Afternoo"n: very britisch und macht richtig Spaß
3. "I'm in Love with my Car": von Roger Taylor geschrieben und mit viel Power gesungener straighter Klassiker
4. "You're my Best Friend": sonniger Popsong von John Deacon scheinbar aus der Hüfte herausgeschrieben
5. "39": Brian May's Akustik Klassiker
6. "Sweet Lady": schwächster Song dieser Platte
7. "Seaside Rendezvous": siehe Nr. 2
8. "The Prophet's Song": Geheimtip, und dann dieser Chorgesang. Wie gesagt, Kunstrock.
9. "Love of my Life": Liebesschmerz aller erster Güte
10. "Good Company": Einzig Brian May's dünnes Stimmchen trübt hier etwas den Glanz
11. "Bohemian Rhapsody": Natürlich "der" Queen Song schlechthin
12. "God save the Queen": genau, aber nur "Diese" hier

Kritiker meinten damals, dass Ihnen diese Platte zu verkitscht und zu wenig rockig war. Aber gerade dieses "opernhafte" war ja eigentlich genau das, was Queen von jeder 08/15 Rockband unterschied. Zwei, drei Platten vorher und nachher bewiesen sie denen ja auch, dass sie ganz schön einen abrocken konnten.

10 von 10 Punkten

MIKE OLDFIELD - Amarok / Erschienen: Juni 1990 bei Virgin

Wieder so 'ne Reizfigur der Rockgeschichte. Wieder so 'ne verkannte Platte.
Gerade deshalb ist es eine Freude sie als eine meiner Lieblingsplatten anzupreisen.
Oldfield ist eigen, esoterisch-angehaucht, spinnert, eigenbrötlerisch, idealistisch, langweilig usw. - wahrscheinlich stimmt von all dem ein wenig; was man ihm aber bestimmt nicht vorwerfen kann, ist dass er nicht experimentierfreudig ist oder war(?).
Einige seiner vielen, vielen Platten scheinen misslungen, diese jedoch ist es mit Sicherheit nicht. Ich behaupte sogar ganz frech: "Tubular Bells" ist verbraucht - da ist musikalisch nichts mehr herauszuholen, außer barer Münze. Aber dieser Silberling hier ist auch in 30 Jahren musikalisch noch sein Gold wert.
Wenn man die Platte in den Player einlegt, stellt man erstaunt fest, dass diese Platte, obwohl sie nur aus einem Song besteht (!), 60 Minuten lang ist.
Damals (1990) wahrscheinlich rekordverdächtig.
Auf dem Covertext folgende vielsagende Warnung:
"This record could be hazardous to the health of cloth-eared nincompoops."
Übersetzt in etwa: "Diese Platte könnte gefährlich für die Gesundheit von Trotteln sein".
Nun also los: Aufnahmetechnisch gesehen ist das Ganze sowieso ein Leckerbissen wegen des glasklaren Sounds.
Es scheint als hätte er "alle" Geräusche, Töne, Laute dieser Welt in 60 Minuten pressen wollen.
Hingeworfene Geräuschestreusel, wunderschöne Flamencogitarren, Engelchöre, Millionen verschiedenster Instrumente läuten zum Sturm auf die Ohren.
Und doch scheint alles wie aus einem Guss.
Man muss es selbst gehört haben.
Als Bonbon am Ende trifft man noch auf Maggie Thatcher (!) und reibt sich danach verwundert die Ohren.
Mein Tipp: Diese CD im Auto laut aufdrehen und durch menschenleere Landschaften düsen. Kommt gut.

9 von 10 Punkten

DAVID BOWIE - Outside / Erschienen: September 1995 bei RCA

Bowie - Progressiv??? Naja....
Warum eigentlich nicht. Das hier ist jedenfalls kein Pop.
Schwer einzuordnen.
Die Platte ist für Bowieverhältnisse relativ gefloppt.
Es handelt sich um ein Konzeptalbum über einen Ritualmörder.
Okay, äußerst schwerer Stoff. Nicht massenkompatibel.
Aber davon abgesehen ist es die Musik, die diese Platte für mich so genial macht.
Ich würde sogar fast so weit gehen zu behaupten es sei "die" Bowie Platte.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren es für mich "Low", "Heroes", "Lodger" und "Scary Monsters" - halt jene düstere, schwere Phase.
Dann kam lange nix mehr Besonderes von ihm und ich hatte ihn schon abgeschrieben, doch dann kam "OUTSIDE".
Bedrohliche Töne, technoide Klänge, virtuos jazzige Klavierpassagen, irre Gitarrensounds, industriell, paranoid und atemberaubend.
Der Titelsong "Outside" zeigt uns schon in etwa wohin die Reise zu gehen scheint.
"The Hearts Filthy Lesson" mit geiler Gitarre und Klavier.
Das brachiale "Spaceboy" haut dich, laut gehört, fast aus den Schuhen.
"The Motel" ist düsterste Großstadtbarmusik.
"I have not been to Oxford town" lässt uns erst mal etwas verschnaufen und klingt schon etwas relaxter.
Mit "No Control" sind wir aber schon wieder tief drin in irgendwelchen seelischen Abgründen.
"The Voyeur..." geht dagegen, musikalisch gesehen, schon wieder ziemlich ab. "We Prick You" ist ein Lied das sehr, sehr schräg rüberkommt, very 80's, wie eigentlich die ganze Platte.
"I'm Deranged" - einer meiner absoluten Lieblingssongs überhaupt - berührt mich irgendwie.
"Thru' these Architects Eyes" klingt dagegen im Ganzen etwas freundlicher.
Ebenso "Strangers when we Meet", das versöhnlich rüberkommt und noch am ehesten an Bowie heute erinnert.
Als Bonbon gibt's hier den "Spaceboy-Remix" mit den Pet-Shop-Boys (eigentlich würg!), also doch noch POP im klassischen Sinne, und siehe da - soooo schlecht kommt das dann am Ende dieser Platte doch nicht. Sozusagen als Chill-out für diesen doch schwerbekömmlichen Alptraum, der aber wohldosiert gehört, äußerst spannend und aufregend ist.

9 von 10 Punkten

JO SIMON