IN EXTREMO, 21.09.2003
Link: www.inextremo.de 

Mit ihrer neuen CD '7' sind IN EXTREMO direkt auf Platz 3 der Charts eingestiegen. Erneut ein Riesenerfolg für eine Band die eigentlich abseits von jeglichen Trends und Strömungen agiert, also schon immer ihr eigenes Ding durchgezogen hat!
Erneut stand mir Kay Lutter (Foto: 3. v. re.) Rede & Antwort , u.a. zum neuen Album und den kommenden Aktvitäten.

Schweres Metall (SM): Hallo Kay, seid ihr zufrieden mit dem bisherigen Feedback von Fans & Presse auf die neue CD?
Kay: Ja, natürlich! Was soll ich sagen? Es gab mehr, vor allem positives, Feedback, als wir es uns je zu wünschen gewagt hätten. Eine neue CD ist natürlich immer die beste - und wenn die Zuhörer es dann auch so sehen - umso besser!

SM: Meiner Meinung nach ist ´7´ wesentlich emotionaler, tiefgründiger und auch mit mehr mittelalterlichen Einflüssen ausgefallen als `Sünder Ohne Zügel´ - also ein stärkeres Album geworden.
Welche Meinung hast du dazu?

Kay: Mehr mittelalterliche Einflüsse - okay, das war beabsichtigt, denn wir wollten uns zwischenzeitlich auch mal wieder an unsere gemeinsamen Wurzeln erinnern. Aber emotionaler und tiefgründiger? Vielleicht hat das damit zu tun, dass wir erstmals in der Bandgeschichte von In Extremo nicht unter Zeitdruck standen und all unsere Ideen konsequent bis zum Ende ausloten konnten.

SM: Insbesondere der "Davert-Tanz" ist absolut fantastisch, und dürfte nicht nur die Fans der ersten Stunde zu wahren Freudentänzen veranlassen! Wie funktioniert das Komponieren eines solchen Songs bei Euch?
Kay: Das war ehrlich gesagt eine total spontane Idee. Die Suche nach einer akustischen Nummer gestaltete sich schwieriger als gedacht, denn unsere 3 wandelnden Bibliotheken (die Sackspieler) konnten sich nicht entscheiden... Der "Davert-Tanz" war eine Nummer, die wirklich niemand auf dem Zettel hatte. Aber so etwas kommt bei uns sehr häufig vor (und macht die Arbeit bei In Extremo manchmal aus). Auch die Merseburger Zaubersprüche entstanden so - in einer festgefahrenen Situation geht die Tür auf, jemand kommt mit einer völlig neuen Idee herein und die Sache ist im Kasten.

SM: Die ausgekoppelte Single "Küss Mich" steht nicht gerade stellvertretend für die neue Scheibe. Habt ihr unter Druck gestanden ein doch "etwas kommerzielleres Stück" für die Charts bzw. die Video-Rotation bei Viva oder MTV zu schreiben?
Kay: Wir schreiben niemals Songs auf Bestellung oder aus kommerziellen Erwägungen. "Küss mich" war auch eine dieser Spontanideen, die wir kurz nach Veröffentlichung von "Sünder ohne Zügel" hatten. Wir wollten schon mal Material sammeln für irgendwann und das Publikum auch mal mit einer unveröffentlichten Nummer überraschen. Das dieser Song dann fast 2 Jahre später zur Single werden würde, daran hatte von uns niemand gedacht. Vielleicht ist er deshalb auch vom Songwriting so "übersichtlich" geraten - wir hatten zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Druck, Songs schreiben zu müssen.

SM: Wie stehst du zur "Kurskorrektur" von SUBWAY TO SALLY auf ihrem neuen Album, bzw. kennt ihr Euch untereinander? Diese waren ja quasi zusammen mit Euch die Mitbegründer des Mittelalter Rock/Metal.
Kay: Wir kennen und respektieren uns natürlich, keine Frage. Aber ehrlich gesagt interessieren wir uns nicht allzu sehr für die anderen Bands in unserer Szene - wenn ich das mal so sagen darf. Wir fühlen uns auch keiner Szene wirklich zugehörig. Wir sind ein eingeschworener Haufen und machen unser eigenes Ding, auch wenn das vielleicht jetzt etwas anmaßend klingt. Und so brachial war die Kurskorrektur von Subway nicht, oder? Ansonsten bin ich natürlich ein Freund von jeglicher Weiterentwicklung - zumindest wenn sie nicht aus rein kommerziellen Gesichtspunkten erwächst.

SM: Da ihr doch sehr exotische u. heutzutage wohl kaum noch tatsächlich gesprochene Sprachen wie Alt-Spanisch oder Alt-Französisch benutzt, ist das Texten dieser Songs doch sehr zeitaufwändig, oder?
Kay: Nein, denn wir texten ja nicht selbst in diesen Sprachen sondern benutzen vorhandenes Material (bzw. arbeiten es um). Das ist allerdings sehr zeitaufwendig.

SM: Wie sieht eigentlich die Resonanz im restlichen Europa auf Eure innovative Musik aus?
Kay: Die angrenzenden Länder wie Österreich, die Schweiz, Holland, Luxemburg und Belgien sind mittlerweile zu unserer 2. Heimat geworden - dort werden wir im nächsten Sommer auch verstärkt auftreten. Aus Spanien gibt es, nach unserem Auftritt im März in Grenada, sehr viele Anfragen. Ansonsten ist es natürlich für uns erst mal sehr teuer, im Ausland aufzutreten - wir sind immerhin mit 18 Personen unterwegs. Deshalb haben wir auch eine Agentur beauftragt, die uns speziell im Ausland bucht - mal sehen... Die Rezensionen sind jedoch in Europa - mal abgesehen von England - phänomenal. In England findet In Extremo nicht statt, aber die machen ohnehin ihr eigenes Ding. Aber die werden wir auch noch knacken!

SM: Wie verliefen die bisherigen Gigs bzw. was können wir auf dieser Tour noch von Euch bezüglich Bühnenshow & Set-List erwarten?
Kay: Im Sommer waren wir noch mit unserem alten Programm unterwegs - abgesehen von 2 bis 3 Stücken aus der neuen CD, die wir mal antesten wollten. aschen - wie immer. Wir werden auf jeden Fall viele neue Stücke spielen, aber natürlich auch die älteren Sachen nicht vergessen. Die Auswahl fällt weiß Gott immer sehr schwer, denn an jeder einzelnen Nummer hängt viel Herzblut und viele Erinnerungen... Aber wir schauen nach vorn!

SM: Wo lagen die Gründe dafür sich doch fast gänzlich von den Gigs auf Mittelaltermärkten zu verabschieden?
Kay: Ohhh, eine lange Geschichte... aber ich versuche es mal: Zur damaligen Zeit bestand ja In Extremo quasi aus 2 verschiedenen Bands, der Rock- und der Mittelalterband. Und niemand von uns hatte ja wirklich mit einem derartigen Erfolg der Rockband gerechnet. Mit wachsendem Erfolg hatten wir irgendwann auf den Märkten das Ende der Fahnenstange erreicht - sagen wir mal so: es gab zwei Hauptgründe - zum einen spielten wir fortan statt vor 50 - 100 Leuten vor 500 - 1000, was vor allem technische Nachteile hatte, denn bis auf die ersten 3 Reihen konnte niemand In Extremo mehr hören. Zum anderen muss man selbstkritisch sagen, dass es irgendwann nach 3 - 4 Jahren einfach keinen Spaß mehr machte, andauernd "Totus Floreo" und andere Mittelalterstandards zum Besten zu geben. In Extremo war einfach nicht mehr innovativ oder wegweisend genug und das Ganze drohte zur Dienstleistung zu werden. So haben wir uns entschlossen, die Märkte - bis auf ganz wenige Ausnahmen, erst mal auszusetzen. Wenn, dann wollen wir mit einem komplett neuen Programm wiederkommen. Auf jeden Fall arbeiten wir seit einiger Zeit an einem neuen Akustikprogramm, mit dem wir dann natürlich auch auftreten werden. Das Ganze wird es dann natürlich auch als CD geben. Aber ob wir jemals, so wie früher, Wochenende für Wochenende über die Märkte tingeln, wage ich zu bezweifeln. Aber ich bin auch nicht wirklich traurig darüber...

SM: Steht in naher Zukunft wieder ein Abstecher nach Mexiko an, wo ihr ja absolut fanatische Fans habt, wie man auf Eurer DVD bestaunen kann?
Kay: Nein, eigentlich nicht, denn Mexiko war für uns letztendlich mehr ein Spaß, der uns auch eine ganze Menge Geld gekostet hat. Man kann dort nicht wirklich CDs verkaufen und infolge dessen hat die Plattenfirma natürlich auch keine Lust, dich dort zu weiter zu unterstützen. Plattenfirmen sparen seit kurzem an allen Ecken und Enden. Es gibt dort auch keine Möglichkeiten eine Tournee zu buchen, bei der man wenigstens mit +/- 0 rausgeht. Sollte es allerdings die Möglichkeit für eine längere Tour geben, die man vielleicht auch mit anderen Ländern verbindet, dann wären wir natürlich die Letzten, die "Nein" sagen würden. Aber so ist es schlichtweg nicht finanzierbar. Schade!

SM: Kay, vielen Dank für die schnelle Zusage zu diesem Interview & viel Erfolg auf der wieder sehr umfangreichen Tour! Letzte Worte von IN EXTREMO an unsere Leser bzw. die deutschen Rock/Metal Fans?
Kay: Ja, wie immer: Habt immer offene Ohren für Neues und Anderes, denn sonst könnten Bands wie wir gar nicht existieren.

(Pit Schneider, September 2003)