IN EXTREMO, 29.05.2002
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Die Berliner IN EXTREMO sind mit ihrem Mix aus hartem Gitarrensound, mittelalterlichen Instrumenten und Texten sowie charismatischem Gesang zweifellos eine der innovativsten Bands Deutschlands! Schon das 1998 veröffentlichte Album 'Weckt die Toten' konnte nicht nur mich absolut begeistern, und sollte für etliche nachfolgende Bands dieses damals neuen Genres wegweisend sein. Doch lassen wir "Die Lutter" - zuständig für Bass und Drumscheid - selbst zu Wort kommen!

Schweres Metall (SM): Wie entstand die Idee zu der genialen Symbiose aus hartem Rock und mittelalterlichen Klängen?
Lutter: Eher zufällig. Beide "Fraktionen" der heutigen Band IN EXTREMO haben schon lange Zeit vorher in den verschiedensten Bands miteinander gespielt, so dass es früher oder später ohnehin irgendwie dazu kommen musste! Micha, unser Einhorn, war mehr oder weniger das Bindeglied zwischen beiden Teilen. Es gab also wirklich keinen Plan! Die ausführliche Geschichte dazu findet ihr in der Biographie auf unserer Website.

SM: Euer aktuelles Album 'Sünder ohne Zügel' wurde im September vergangenen Jahres zurecht vom Kollegen Reiner in höchsten Tönen gelobt (siehe Rubrik "Reviews"). Stehen schon Songs für das nächste Album, bzw. was können wir von diesem erwarten und für welchen Termin ist das Erscheinungsdatum anvisiert?
Lutter: Mit dem Schreiben und Proben von Songs haben wir schon vor einigen Wochen begonnen, aber da landet natürlich wieder viel im Papierkorb. Wir wollen uns dieses Mal zeitlich nicht wieder so unter Druck setzen lassen, aber das nimmt sich die Band ja bei jeder Produktion vor... Wohin die Reise geht wissen wir selbst noch nicht genau, denn da wir fast alle Stücke zusammen schreiben und arrangieren, entstehen viele Dinge erst beim Erarbeiten der Songs im Proberaum oder Studio, so dass von der ursprünglichen Idee des "Autors" nur noch Fragmente übrig bleiben. Wir haben keine Glimmer Twins Lennon / Mc Cartney oder Jagger/ Richards in unseren Reihen, die auf ihre Urheberschaft pochen. Vielleicht ist es ja gerade das, was IN EXTREMO ausmacht! Ansonsten planen wir, im Januar im Studio ernst zu machen, so dass wir entweder vor oder nach der großen "Sommerdepression" veröffentlichen können.

SM: Insbesondere die Songs "Vollmond" und "Der Rattenfänger" vom aktuellen Album haben echtes Hit-Potential aufzuweisen. Wie geht ihr an das Komponieren der Songs heran?
Lutter: Das habe ich ja schon fast mit beantwortet. "Vollmond" ist in diesem Falle aber keine Komposition von uns (wenn auch nicht viel vom ursprünglichem Original übrig geblieben ist), der Text ist eine Bearbeitung von uns nach Villon. Komischerweise ist "Der Rattenfänger" genau die Nummer, die wir vom Album im Nachhinein als die Schlechteste empfinden, wir haben sie deshalb auch aus dem Liveprogramm genommen! Was ein "Hit" ist sieht jeder sicherlich anders- die Plattenfirma sowieso- hier muss jede Band für sich entscheiden, welchen Weg sie einschlagen will.

SM: Woher nehmt ihr die Inspiration zu Euren Texten?
Lutter: Vorrangig aus der Literatur natürlich. Neben eigenen Texten benutzen wir aber sehr viele Originaltexte oder bearbeiten diese zu unserem Zweck.

SM: Mir ist aufgefallen das bei Euren langen Tourneen der Südwesten Deutschlands nur spärlich bzw. gar nicht berücksichtigt wird. Wo liegen die Gründe hierfür, da ich behaupten kann dass ihr auch hier etliche Fans habt?
Lutter: Das ist sicherlich erst einmal Ansichtssache, irgendwie behauptet jeder, wir würden "sein" Territorium vernachlässigen... Aber mal im Ernst, hier gibt es viele Gründe, der Hauptgrund ist aber natürlich immer der Veranstalter, oder um es besser zu sagen: Wo kein Veranstalter da kein Konzert!

SM: Wie versteht ihr Euch mit den Jungs von CORVUS CORAX? Gerüchten zufolge soll es da schon zu Spannungen gekommen sein, zumal sich diese Band ja auch als "Könige der Spielleut" nennt, was doch sehr grosspurig klingt, oder!?
Lutter: Das ist uns relativ egal, zudem haben sie sich den Titel ja immerhin auch selbst verliehen. Spannungen gab es in der Vergangenheit einige, aber irgendwie hat sich das mittlerweile relativiert. CORVUS/ TANZWUT waren halt immer der Meinung, sie hätten dieses Genre erfunden und dort hätte niemand anderes etwas zu suchen. Deswegen haben sie uns damals ja auch einen Song gewidmet.

SM: Wie verlief die letzte Tour durch Mexiko, bzw. welche Erfahrungen habt ihr dort mit Land und Leuten gemacht?
Lutter: Mexiko war für uns eine riesige Erfahrung, deswegen werden wir im September dort noch einmal spielen. Aber alles aufzuzählen würde hier zu weit führen , auf unserer Seite findet Ihr im Inner Circle dazu einen langen Tourbericht.

SM: Eine Frage bezüglich Eurem Sänger Michael ("Das letzte Einhorn"). Ist er eigentlich ein Sprachentalent wegen der teilweise lateinischen, skandinavischen und anderen Sprachen die ihr verwendet, bzw. ist er auch für das Verfassen der Texte zuständig?
Lutter: Ich werde das mal für Micha beantworten: Die meisten Sprachen, die wir verwenden werden ja so nicht mehr gesprochen, auch Latein ist ja eine tote Sprache. Uns hat es einfach Spaß gemacht, andere Ausdrucksformen (außer dem allgegenwärtigen Englisch) zu finden! Einige Originalsprachen wie das Isländisch hören sich bestimmt nach Slang an, aber was macht das schon. Besonders das Publikum in Nordeuropa wusste das sehr zu schätzen, dass wir uns mit ihrem Liedgut beschäftigt haben. Und außerdem, wie mag eine englisch singende deutsche Band für die Amerikaner klingen???

SM: Von welchen Musikern und Bands siehst du Euch beeinflusst bzw. beeindruckt?
Lutter: Der Einfluss ist so groß wie die Anzahl der Musiker, wir haben hier nicht so viele Gemeinsamkeiten, was die CD- Sammlungen angeht.

(SM): Habt ihr damals bei der Produktion von ´Weckt die Toten´ eigentlich mit solchen späteren Chart- Erfolgen gerechnet, oder kam alles völlig überraschend?
Lutter: Mit "Weckt die Toten" waren wir zwar nicht in den Charts sondern erst mit den beiden Nachfolgern, aber mit dem Verkaufserfolg der ersten Platte haben wir so natürlich nicht gerechnet.

SM: Werden Euch die Fans auch zukünftig mit Akustik-Sets auf den Mittelaltermärkten bewundern können - wo ja Eure Ursprünge liegen - oder wollt Ihr Euch mehr auf den Rock/Metal-Sektor konzentrieren?
Lutter: Ich sehe unseren Ursprung ehrlich gesagt nicht so unbedingt auf den Mittelaltermärkten, das war ja auch nur die Hälfte der Band, die dort "aufgewachsen" ist. Momentan haben wir weitaus mehr Spaß an der Rockgeschichte (das kann ich auch im Namen der Mittelalterkollegen sagen), wir wollen aber demnächst- wenn denn dazu Zeit bleibt- ein Akustikalbum veröffentlichen. Es gibt eine Menge Gründe dafür, dass wir das Akustikprogramm in der letzten Zeit vernachlässigt haben, zum einen können wir es ohne Technik kaum mehr (vor dem mittlerweile erheblich größerem Publikum) hörbar gut rüberbringen, zum anderen sind auch einige Veranstalter der Meinung, wir müssten immer noch "für ein´ Appel und n´ Ei" zu buchen sein, um ihnen als Veranstaltern die Märkte zu füllen. So belassen wir es dann bei einer Handvoll Konzerten in diesem Jahr. Was die Zukunft anbelangt ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen, aber wir werden das immer von unserer Intension abhängig machen.

SM: Wählt Ihr Eure Support-Bands eigentlich noch selbst aus, bzw. nach welchen Kriterien wird hier vorgegangen?
Lutter: Eine lange Geschichte, die man nicht so schnell beantworten kann. Vorausschicken möchte ich, dass IN EXTREMO von Supportbands im Gegensatz zu anderen Bands noch nie Geld verlangt hat! Aber diese Bands müssen sich natürlich finanziell zumindest selbst tragen können. Darin liegt schon das aller erste Problem, ohne Unterstützung einer Plattenfirma oder eines Verlages gelingt das schon mal nicht vielen. Unser persönlicher Geschmack spielt natürlich auch eine Rolle, aber wenn es ausschließlich darum ginge, dann müssten wir mit 7 verschiedenen Supportbands unterwegs sein. Für die Zukunft sind wir aber schon bestrebt, eher eine ausländische Band mitzunehmen, die dort auch etwas bekannter ist als wir, um uns hier wie dort dann gegenseitig zu unterstützen.

SM: Letzte Worte an unsere Leser bzw. Eure Fans?
Lutter: Habt immer ein offenes Ohr für die "andere" Musik... Viele Grüße von Lutter / IN EXTREMO

(Pit Schneider, Mai 2002)