BLIND GUARDIAN, 05.04.2002
Link: www.blind-guardian.com

Die "Blinden Wächter" aus Krefeld haben vor kurzem mit "A Night At The Opera" nach vier endlos scheinenden Jahren des Kreativitätsprozess und der Produktion ihren zahlreichen und ausgehungerten Fans endlich ein neues Album präsentiert. Grund genug also André Olbrich - einen der Gitarristen der Perfektionisten, QUEEN-Verehrer und Tolkien-Fans - mit naheliegenden Fragen zu "belästigen"!

Schweres-Metall (SM): Euer neues Album ist aus meiner Sicht wesentlich straighter ausgefallen als "Nightfall In Middle Earth". War dies beabsichtigt oder hat sich dies beim komponieren einfach so ergeben?

André: Ich bin sehr froh das Du das so siehst. Denn es war unser Ziel alle Instrumente so gut aufeinander abzustimmen, das am Ende alles straighter wirkt. Denn eigentlich ist die Musik noch wesentlich komplexer und progressiver geworden. Außerdem sind die Songs insgesamt schneller als auf der Nightfall. Da wir einen starken Kontrast zur "Nightfall" herstellen wollten haben wir ganz bewusst auf ruhige Breaks verzichtet.

SM: Manche meiner Schreiber-Kollegen haben sich in ihren CD-Besprechungen zu "A Night At The Opera" kritisch gegenüber dem angeblich total überladenen Sound (Effekte, Chöre & den zahlreichen Gesangsspuren) geäußert. Wie steht Ihr zu diesen Meinungen bzw. seid ihr rundum zufrieden mit der neuen Scheibe?

André: Jeder empfindet Musik anders und das ist auch gut so. Es ist eben alles Geschmacksache und ich habe keine Probleme damit, wenn jemandem unsere Art Musik zu spielen, nicht gefällt. Allerdings gibt es leider manchmal sehr oberflächliche Kritiken, die sich eigentlich gar nicht mehr mit den einzelnen Songs auseinandersetzen, sondern nur noch über einen Sound reden. Chöre sind schon immer ein Markenzeichen von B.G. gewesen und ob es jetzt ein paar mehr oder weniger sind, ändert ja nichts an dem eigentlichen Song.
Ich glaube wir sind unseren Visionen mit dem neuen Album wieder einen großen Schritt näher gekommen und ich glaube das wir für diese Art von Musik auch optimal produziert haben.

SM: Wie stellt sich eigentlich Euer Label "Virgin" zu den doch sehr langen Pausen zwischen Euren Alben?

André: Die Virgin übt keinerlei Druck auf uns aus, wenn es um den Release eines Albums geht und das ist enorm wichtig für uns. Es ist zwar gut seine Limits im Auge zu behalten und manchmal kann ein bisschen Druck auch förderlich sein, während einer kreativen Phase würden mich Deadlines aber eher blockieren. Ich denke auch, dass man sich solche Abstände zwischen zwei Alben nur dann erlauben kann, wenn man auch wirklich qualitativ gute Resultate abliefert.

SM: Wie muss man sich bei Euch die Herangehensweise an ein neues Album eigentlich vorstellen?

André: Das wichtigste für mich ist es erst mal abstand zu dem letzten Album zu gewinnen. Man kann nur neue Sachen kreieren, wenn man die alten loslässt und das ist meistens gar nicht so einfach. Zum Glück bringt die Zeit ständig neue Umstände, also auch neue Gefühle mit sich, die man dann verarbeiten kann. Außerdem entstehen auch neue Ideen, wenn man versucht sich auf seinem Instrument weiter zu entwickeln. Hat man erst mal die ersten Ideen, kommen die Feedbacks der anderen Musiker hinzu und man fängt an mit den Details zu arbeiten oder wie wir sich in die Details zu verlieben. Manche Songs entwickeln auch so eine starke Eigendynamik, dass man sich selber über die Entwickelung wundert. Das war z.B. bei "And then there was silence" so. Keiner hat am Anfang geahnt welche Ausmaße diese Nummer annehmen würde.

SM: Wie gedenkt ihr die doch sehr anspruchsvollen neuen Songs Live umzusetzen, bzw. werden einige Gastmusiker mit auf Tour kommen?

André: Wir sehen Studio und Live Musik als zwei verschiedene Paar Schuhe an. Live dürfen die Songs unserer Meinung nach ruhig rougher und lebendiger klingen. Wir konzentrieren uns Live nur auf die Hauptmelodien und lassen viele der Mehrstimmigkeiten wegfallen. Ein starker Song bleibt aber ein starker Song, ganz egal ob er von einer vierköpfigen Band oder von einem 60 Mann Orchester gespielt wird. Durch die komplexen Rhythmen des neuen Albums, ist es aber auf jeden Fall auch eine Herausforderung für uns die neuen Songs live zu spielen. Wir nehmen wie auch schon bei der "Nightfall" Tour ein Basser und einen Keyboarder als Verstärkung mit auf Tour.
Da wir momentan auch schon mitten in der Tourvorbereitung stecken, kann ich auch schon sagen, das wir diesmal die beste B.G. Show aller Zeiten präsentieren werden.

SM: Nun eine Frage der nostalgischen Art: Darf man darauf hoffen bei Euren Live-Gigs geniale Songs wie "Welcome To Dying" oder "The Last Candle" vom "Tales Of The Twillight World"-Album zu hören?

André: Wir haben diesmal 30 Songs geprobt die wir während der Tour immer wieder austauschen werden. Ich kann also nicht versprechen wo wir welchen Song spielen. Da wir aber von jedem! Album Stücke geprobt haben werden wir garantiert auch den Nostalgikern einige Kracher bieten können.

SM: Wurden FREEDOM CALL als Opener Eurer am 12. April beginnenden Tour eigentlich von Euch selbst ausgesucht oder bekommt ihr die Vorgruppen von der Plattenfirma auf´s Auge gedrückt?

André: Die jeweiligen Opener auszusuchen, ist die Aufgabe unseres Tourveranstalters. Wir haben zwar ein Mitspracherecht, würden davon aber nur gebrauch machen, wenn wir der Meinung wären, dass eine Band musikalisch absolut nicht zu unserer Musik passt.

SM: Wurde ernsthaft darüber nachgedacht sich für den Soundtrack der "Herr der Ringe"-Verfilmung zu bewerben?

André: Ja, allerdings nicht mit den Heavy Metal Kompositionen die man bis jetzt von uns kennt. Hansi und ich arbeiten seit Jahren an einem rein orchestralen Sideprojekt, das musikalisch sehr stark von Tolkien inspiriert worden ist. Mit den Hauptthemen dieser Kompositionen hätte man einige Passagen des Films sehr schön unterlegen können. Und da man inzwischen ja auch die Musik vom "Herr der Ringe" kennt, bin ich mir noch sicherer, dass wir dem Tolkien Spirit in unserem "Orchester Musical" wesentlich näher gekommen sind, als der jetzige Soundtrack. Auch der gewonnene Oskar kann nicht drüber hinweg täuschen, das die Musik eigentlich genauso gut zu "Zurück in die Zukunft" gepasst hätte.  Wer mich jetzt für Größenwahnsinnig hält sollte wenigstens mal in das wahrscheinlich bald erscheinende "Orchester Musical" reinhören und sich vom Gegenteil überzeugen.

SM: Wie stehst du zu RHAPSODY, die meiner Meinung nach zusammen mit Euch die Speerspitze des sog. Epic- oder Bombast-Metal bilden?

André: Rhapsody ist eine gute Band, ich sehe da allerdings einen großen Unterschied zu uns. Während sich Rhapsody immer noch irgendwo in den 80er Jahren bewegen, versuchen wir ständig auch mit neuen Elementen zu experimentieren. Das Rad der Zeit dreht sich nun mal weiter und "Epic" hin oder her, das Lebensgefühl von 2002 ist nun mal ein anderes als das der 80er Jahre. Und das sollte sich meiner Meinung nach auch in der Musik ausdrücken.

SM: Welche Bands oder Musiker haben dich nachhaltig beeindruckt oder beeinflusst?

André: Mich beeindrucken alle Künstler die innovativ sind. Bands die einen Stil kreiert haben und mit ihrem Stil eine ganze Generation beeinflusst haben wie z.B. die Beatles, Rolling Stones, Queen, Deep Purple, Iron Maiden oder Metallica. Eines unserer Ziele ist natürlich auch einen absolut einmaligen Stil zu kreieren und diese Bands haben vorgemacht wie es geht. Man sollte nur versuchen, sich musikalisch so wenig wie möglich von anderen Bands beeinflussen zu lassen.

SM: Welche Ziele habt ihr noch in Eurer doch schon sehr erfolgreichen Karriere?

André: Ein paar habe ich ja bereits genannt, ein weiteres ist es, das wir uns musikalisch nicht wiederholen wollen. Wir stehen also mit jedem Album wieder vor einer neuen Herausforderung. Ich glaube einer unserer größten Träume ist es mit einem echten Orchester zusammen zu arbeiten. Aber vielleicht werden wir diesen Traum schon bald mit dem "Orchester Musical" in die Tat umsetzen.
Außerdem sind wir sehr reiselustig und würden gerne in jedem Land mal gespielt haben.

SM: Was wollt ihr unseren Lesern an dieser Stelle noch mitteilen?

André: Kommt zur Tour und singt mit uns wie sich das für einen anständigen Barden gehört ;))) Tschöööööööö

SM: Abschließend vielen Dank für die Zeit die ihr Euch für das Interview genommen habt und viel Erfolg auf der bevorstehenden Tour.

(Pit Schneider, April 2002)