ALMANAC (Frank Beck - Gesang)
21.04.2020

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almanac.band &
www.frank-beck.com/

'Rush Of Death' nennt sich das neue und dritte Studiowerk von ALMANAC, der Band von Victor Smolski (ex-RAGE). Die Platte überzeugt auf ganzer Linie und wurde völlig zu Recht zu unserem Album des Monats März gewählt. Als letzten Puzzlestein holte der genannte Gitarrenhexer GAMMA RAY-Sänger Frank Beck an Bord, welcher mit seiner charismatisch/kraftvollen Metal-Stimme so manches Ausrufezeichen auf 'Rush Of Death' setzte. Beck gehört momentan zu den gefragtesten Sängern der deutschen Metal-Szene und hat biespielsweise auch auf dem aktuellen bärenstarken WOLFPAKK-Album seine Visitenkarte abgegeben.
Unser Pit unterhielt sich mit dem saarländischen Goldkehlchen, der zu Anfang seiner Karriere mit der exzellenten Cover-Truppe SRAINED für Furrore in der Saar-/Pfalz-Region sorgte. Mit RED RAVEN hat er zudem auch eine eigene Formation am laufen. Natürlich kamen die beiden nicht umhin über die leidige Corona-Krise zu quatschen, welche wohl den kompletten Live-Sektor bis mindestens Ende August lahmlegen wird...

Schweres-Metall (SM): Hallo Frank, wie geht´s dir und was treibst du in der momentanen sowie unsäglich nervenden Corona-Krise, welche ja den kompletten Livemusik-Sektor bis dato lahmlegt
Frank: Moin Moin Pit, rein körperlich geht’s mir gut, kopfmäßig, situationsbedingt eher weniger. Ich mache mir täglich so meine Gedanken, wann und wie das überhaupt "on stage" weitergehen wird. Ob es vor dem 31.8. kleinere Konzerte geben wird, ist fraglich. Ich befürchte sogar, dass es noch länger dauern könnte, falls da nicht zeitnah eine medikamentöse Lösung gefunden wird. Natürlich sind die Maßnahmen zur Eindämmung seitens der Regierung vollkommen gerechtfertigt, die vielen Toten europaweit sprechen dafür. An dieser Stelle mein tiefes Mitgefühl an all diejenigen, die durch Corona ein Familienmitglied oder einen Freund verloren haben. Das dürfen wir bei all den Diskussionen nämlich niemals vergessen.
Dennoch ist unsere Branche nicht "systemirrelevant", wie aus Berlin gemeldet. Für den Großteil der Künstler, die quasi von der Hand in den Mund leben, und daher kaum Rücklagen bilden können, ist das ein finanzielles Desaster. Die Soforthilfen für freiberufliche Musiker, sofern sie denn ankommen, sind zwar ein gutes Signal, decken aber nur einen Bruchteil der Einnahmen ab, die durch Corona verloren gehen. Da kann und muss man auch über berufliche Alternativen nachdenken. Manch einem aber wird wohl der Gang zum Jobcenter nicht erspart bleiben, wobei ich aus eigener Erfahrung sagen kann, dass das für mich nicht mehr in Frage kommt. Glücklicherweise lief das letzte Jahr recht gut.
Mein Pool besteht zwar immer noch aus drei Luftkammern und anstatt Austern greif ich lieber zu Grillfleisch aber damit komme ich schon klar. Man kann jetzt sehr viel „liegengebliebenes“ aufarbeiten, z.B. habe ich mir zuhause ein kleines Heimstudio eingerichtet, damit ich flexibler auf Anfragen für Aufnahmen reagieren kann. An der dritten Scheibe von RED RAVEN arbeiten wir auch gerade. Sie wird wohl irgendwann dieses Jahr noch erscheinen.

SM: Kommen wir zum neuen Longplayer von ALMANAC, welcher in unserem Magazin zum Album des Monats März gekürt wurde.
Wann und wie erfolgte dein Einstieg bei Victor Smolski & Co. und wie ist die Stimmung in der Band?
Frank: 'Rush Of Death' ist ein sehr starkes Album geworden, welches allerdings mehrere Durchläufe braucht, um vollends zu überzeugen. Dafür braucht es Zeit und den Willen, sich damit auseinanderzusetzen. Bei der heutigen Aufmerksamkeitsspanne mancher Zeitgenossen, die bei krummen Taktzahlen aus dem Rhythmus kommen, ist das ein wirklich schwieriges, aber nicht unmögliches Unterfangen, wobei es Victor aber auch nicht grenzenlos übertreibt. Er ist halt ein begnadeter Musiker, der all seine Fertigkeiten ausnutzt und Songs schreibt, die technisch anspruchsvoll, aber dennoch immer melodiös sind.
Aber zurück zu deiner Frage: Anfang Oktober 2019 erhielt ich überraschenderweise einen Anruf von Victor. Es ging um einen Gastbeitrag auf dem neuen Almanac-Album, welches quasi schon in der finalen Phase der Produktion war. Er wollte noch eine zusätzliche Stimmfarbe auf dem Album haben und hatte dabei an mich gedacht. Natürlich sagt man da sofort zu, ohne auch nur einen der Songs zu kennen. Ich sollte zwei bis drei Songs einsingen. Schlussendlich wurden es dann sieben, die ich eingesungen habe. Dass es letztendlich alle meine Spuren aufs Album geschafft haben, freut mich natürlich umso mehr. Im Dezember wurden dann die Videos zu drei Songs im Heyday Studio in Wuppertal aufgenommen. Da habe ich dann auch zum ersten Mal alle Bandmitglieder getroffen, wobei ich Patrick schon kannte und Kevin mir schon öfter bei diversen Festivals über den Weg gelaufen ist. Da auch mit Tim und Jeanette die Chemie gleich prächtig passte, schlug Victor vor, mich auch bei Live-Konzerten mit einzubinden. Hatte keiner was dagegen...

SM: Ich nehme an du hattest noch keinen Einfluss auf das Songwriting bzw. die Arrangements, stimmts?
Frank: Aufgrund der weit fortgeschrittenen Produktionsphase des Albums war es mir natürlich nicht möglich, zum Songwriting bzw. den Arrangements etwas Kreatives beizutragen. Dabei ist das durchaus von Victor gewollt. Bei Almanac ist nichts in Stein gemeißelt. Jeder darf und soll an neuem Material mitarbeiten. Ich bin mir sicher, dass auch ich meinen Beitrag zum nächsten Album leisten werde. Ideen sind schon einige da.

SM: Welche der neuen Songs sind deine persönlichen Favoriten und warum?
Frank: "Soiled Existance", "Rush Of Death", "Predator", Can`t Hold Me Back" und "Like A Machine". Episch und brachial zugleich, technisch raffiniert, mit einer musikalischen Qualität gespielt, wie ich sie nur ganz selten bei einer Band gehört habe. Man kann die Spielfreude förmlich greifen. Die Lyrics sind, auch wenn es im Netz teilweise andere Meinungen dazu gibt, auf den Punkt gebracht, und geben den Songs genau die nötige Tiefe, um im Gesamtkonzept zu überzeugen. Es war schon vorab klar, dass dieses Album sich gegenüber den beiden Vorgängern komplett abgrenzen würde. Insgeheim hatte ich mir vor dem ersten Hören gewünscht, dass es musikalisch wieder mehr in Richtung Rage gehen würde, gepaart mit dem von ALMANAC gewohnten Gespür für Melodien.
Ich wurde nicht enttäuscht.

SM: Einige Leute sagen 'Rush Of Death' sei eine etwas progressivere Ausgabe der alten RAGE mit AVANTASIA-ähnlichen Gesängen.
Was hältst du von diesem Vergleich?

Frank: Mit dem ersten Teil der Aussage, also die "progressivere Art von RAGE", geh ich absolut konform. Ich persönlich mag Victors Rage-Ära sehr und stehe auf seine Songs, die er damals geschrieben hat und von denen sich noch einige im Live-Set von Almanac befinden. Besonders die Songs mit den klassisch gespielten Teilen aus LMO haben es mir angetan. Ich hoffe inständig, dass ich die Chance bekomme, diese Songs auf einem großen Festival mit einem kompletten Orchester zu spielen. Avantasia-ähnliche Gesänge konnte ich aber jetzt keine auf dem Album hören. Richtig ist, je mehr verschiedene Stimmen, Klangfarben du auf ein Album bringst, umso breiter bist du musikalisch aufgestellt. Vielleicht ist es das, was die Leute den Vergleich ziehen lässt.

SM: Bei allen Songs ist quasi ein dreistimmiger Gesang von Jeannette Marchewka, Patrick Sühl und dir zu hören. Eine ganz andere Herangehensweise als bei deinen anderen Bands RED RAVEN und GAMMA RAY.
Wie gestaltete sich die diesbezügliche Studioarbeit?
Frank: Naja, so anders ist das auch wieder nicht. Es hat schon Vorteile, wenn mehrere Mitglieder einer Band sowohl die Tonleiter als auch ihre Stimmbänder beherrschen und man nicht komplett alleine für die Chöre verantwortlich ist. Jeannette z.B. beherrscht das perfekt. Ohne sie kann ich mir ALMANAC gar nicht vorstellen. Sie hat fast alle Chöre auf 'Rush of Death' arrangiert. Durch die punktgenaue Organisation war es mir ein leichtes, meine zusätzlichen Stimmen zu finden und ins Album zu integrieren.

SM: Wie sieht´s eigentlich zurzeit bei GAMMA RAY aus? Geht´s da irgendwann weiter, oder hat sich Kai Hansen Richtung HELLOWEEN verabschiedet? So wie zu hören ist gibt´s von denen ne neue Platte und ne abermalige World-Tour…
Frank: Das wüsste ich auch zu gern, aber im Ernst, ich weiß es nicht. Als wir mit ALMANAC im März in Hamburg waren, habe ich kurz mit Kai telefoniert, da ging es aber nicht um die Band, sondern eher um den Absacker auf dem Kiez. Eine neue GAMMA RAY-Platte wird man auch im Jahre 2020 vergeblich in den Plattenläden suchen. Kai und die Kürbisse werden erstmal eine neue HELLOWEEN- Scheibe veröffentlichen und diese dann ausgiebig betouren. Ich persönlich rechne, falls überhaupt, frühestens im Herbst 2021 mit neuem GR-Material.

SM: Denkst du die momentane Krise verändert die Rock- & Metal-Musikszene nachhaltig, oder wird es nach Corona genauso weiter gehen wie zuvor?
Frank: Ja und Nein. Dass es weitergehen wird, steht außer Frage. Das "Wie" ist die interessantere Frage.
Ich denke, die Clubszene wird sich leider verändern und schrumpfen und gerade kleineren Bands die Auftrittsmöglichkeiten nehmen. Gerade in den letzten Wochen haben wir im Social-Media-Bereich viele Hilferufe von Clubs lesen müssen, denen das Wasser bis zum Hals steht. Ich befürchte auch, dass es einige finanziell nicht aus der Krise schaffen werden. Das ist schade, denn gerade diese Clubs hätten unsere uneingeschränkte Solidarität und die unserer Regierung verdient. Die großen Konzertveranstalter, die Versicherungen und Rücklagen in Millionenhöhe haben, juckt das eher weniger. Die sind nach der Krise sogar noch stärker aufgestellt. Da sollte sich jeder Metal-Fan mal darüber Gedanken machen, wen er lieber unterstützt. Ich hoffe auch sehr, dass die Krise dazu beiträgt, den Werteverfall der Musik und der Kultur an sich zu stoppen.
Also runter vom Sofa und rein in die Clubs.

SM: Frank, danke für dieses interessante Interview. Die letzten Worte gehören dir ...
Frank: Genug gequatscht.... bleibt gesund!

Interview & Fotos: Pit Schneider